Reaktion von Holger Hommel auf den Besucherbeitrag von Joe Bauer auf der Städtle-Facebookseite
Die Stuttgarter Altstadt ist so etwas wie ein kleines St. Pauli! Stimmt und stimmt auch nicht. Wahrscheinlich tut es mehr nicht stimmen als stimmen. Wenn Sie den letzten Satz nicht so ganz verstehen, dann ist das kein schlechtes Zeichen. Das hängt wieder mal vom so oft zitierten Blickwinkel ab. Aber man kann es so sagen. Ja, warum denn nicht? Was ist denn da so schlimm dran? Wenn Sie auf der Königsstraße jemand anspricht und fragt sie nach so einer nächtlichen Vergnügungsmeile wie der Reeperbahn, wo würden sie ihn hinschicken? Ins Milaneo? Oder gar zu den Yuppies in die Heuss? Nein, den schicken sie ins Städtle und das ist auch gut so. Aber nicht ohne den Hinweis: „Es isch halt a bißle kloiner!“ Schämen müssen wir uns deswegen nicht.
Wir hier im Südwesten bauen die besten Autos der ganzen Welt, müssen die Amerikaner bei den Abgasen nicht bescheißen, auf jeden Fall nicht so sehr! Wir haben auch die Zündkerze erfunden und den Büstenhalter. Natürlich ist auch das wieder eine Frage des Blickwinkels. Wir Schwaben haben noch viel mehr erfunden, sogar die Kunst als solches. Da kann weder Hamburg mithalten und schon gar nicht St.Pauli. Wenn die überhaupt was erfunden haben, dann das miese Regenwetter und Flutkatastrophen. Die schunkeln lieber auf der Reeperbahn nachts um halb eins als dass sie was erfinden. Das ist der Unterschied zwischen denen und uns Schwaben. Deshalb ist St.Pauli auch größer als das Städtle von Stuttgart. Die brauchen viel Platz zum Schunkeln. Wir brauchen gerade mal den Platz für unser Viertele. Wir sind manchmal kleiner und immer anders. Wir haben festgestellt, dass man Hundefutter durchaus essen kann, zumindest dann, wenn es in der Speisekarte einer richtigen schwäbischen Wirtschaft als „saure Kutteln mit Bratkartoffeln“ für Euro 6,50 vor dir auftaucht. Wir können klein, wir können aber auch groß. Wir haben der Welt gezeigt, dass man Museen bauen kann, die das Auto zum Kunstwerk machen und wir lächeln mit durchaus mitleidsgefüllter Miene über die Versager beim Bau der neuen Hamburger Philharmonie. Natürlich auch über die Berliner Chaoten, die nicht in der Lage sind, einen stinknormalen Hauptstadtflughafen fertig zu bauen, so dass man dort landen und auch wieder abfliegen kann. Dass dem Stuttgarter Bahnhofsneubau ein ähnliches Schicksal drohen könnte, wird von den Handelnden nicht einmal in Erwägung gezogen.
Manche haben da Zweifel. Das ist jetzt mal was Neues. Der Zweifel und so. Kannte der Schwabe bisher in dieser Form nicht, aber wenn es was Gescheites ist, lernt man hier im Ländle auch gern dazu. Der Zweifel wird uns begleiten die nächsten Jahre, vielleicht hilft er ja, Bahnhöfe besser zu bauen. Nur eines ist ganz sicher. Flugzeuge werden hier weder starten noch landen. Aber wer weiß?
Da ist noch etwas. Stuttgart leistet sich zwei Tageszeitungen mit ein und demselben Besitzer. Das klingt jetzt nicht unbedingt nach lupenreiner Pressefreiheit. Dafür leistet sich die Doppelzeitung aber seit vielen Jahren auch einen kommunalen Stadtintellektuellen, dem zu widersprechen sich schon lange niemand mehr traut. Das ist die schwäbische Interpretation der freien Meinungsbildung. So was fehlt in St.Pauli! Die sind zwar Weltpokalsiegerbesieger und Bundesligarelegationsspieledauersieger, wir haben dafür die Stuttgarter Kickers. Die spielen unten so rum, da kann man sich wenigstens darauf verlassen. Die kommen nie in die Champions League. Sollen sie auch gar nicht. Dafür haben wir ja den VfB. Also für das Reinwollen und es nicht schaffen. Bei uns hat jeder seine Bestimmung.
Die einen, nennen wir sie der Einfachheit halber dumm und provinziell, sind die „Klein St.Pauli Schwätzer“ und die anderen sind die heroischen Kämpfer für die Verhinderung von jeglicher Provinzialität. Schade eigentlich, gerade das macht doch den Charme des Leonardsviertels aus. Nicht, dass noch einer auf die Idee kommt und das Städtle „Klein Manhattan“ nennt. Also dann bin ich auch dabei. Das geht nun wirklich nicht. Aber bis dahin grüße ich noch gelassen und ausnahmsweise reimfrei.
Der Provinzpoet
Holger Hommel