IBA 27
Die zukunft der altstadt liegt in unseren händen

Wir wollen jetzt nicht so wagemutig sein zu behaupten, die Welt braucht das Leonhardsviertel, aber man darf es vermuten.

Aber eines ist sicher:

Zukunft braucht Altstadt

Neues braucht Altes   

Stadt braucht Staedtle

Ideen brauchen Erfahrung

Optimisten brauchen Skeptiker

Umstrittenes S21 braucht Vereinigte Hüttenwerke

Modernste Automobilindustrie braucht ältestes Gewerbe der Welt

Dumme Reiche brauchen gescheite Arme

Jungs brauchen Mädchen 

Die Vision: Stuttgarts neuer Design District vebindet die Geschichte der getrennten Gebiete in der Leonhardsvorstadt.
Alt & Neu.
Geschichte & Zukunft.
Ein Platz für Erfinder und kreative Start-Up Unternehmen. Wir gestalten die Zukunft in der Mitte von Stuttgart.

Es gibt bereits viele Initiativen zur Neugestaltung des Platzes vor der Leonhardskirche. Das Züblinparkhaus soll im Jahr 2023 abgerissen werden und bietet der Stadt Stuttgart eine einmalige Chance, die Mitte neu zu gestalten. Wie wäre es auf den Dächern mit Start- und Landeplätzen für Volocopter. Wir erfinden in Stuttgart die Zukunft der Mobilität. Ohne Stau durch die Luft. CO2 neutral. Baden- Württemberg ist bekannt für seinen Erfindergeist. Das Land als Modellregion für E-Mobilität, Brennstoffzellenantriebe und Digitalisierung. Wir haben in Stuttgart in der Vergangenheit nicht nur das Automobil erfunden. Was kaum jemand weiß: Bereits ein Jahr zuvor erfand ein Stuttgarter Ingenieur das Motorboot. Auch das Streichholz kommt aus Schwaben: Der 1796 in Ehningen geborene Jakob Friedrich Kammerer wuchs in Ludwigsburg auf und übernahm Vaters Siebmachergeschäft. 1832 tüftelte er einen Streichholz-Vorläufer aus. Kammerer war auch einer der Ersten, der das Streichholz im großen Stil ­industriell fertigte und vertrieb. Margarete Steiff ist die Gründerin der weltberühmten Spielwarenfabrik Steiff. Artur Fischer aus Waldachtal-Tumlingen gelang 1949 mit dem Plastikdübel ein Riesen-Coup. Um nur einige zu nennen. Ein Schwabe, der Hollywood erfand? Klingt komisch, ist aber so. Als 17-Jähriger verließ Carl Lämmle Oberschwaben und wanderte in die USA aus. Dort gründete er 1912 die legendären Universal Studios – und machte damit Hollywood zur Traumfabrik.

Und obwohl Albert Einstein im frühen Kindesalter mit seiner Familie nach München zog, stammt er doch aus Ulm – und ist somit Schwabe. So kann man also auch mit Fug und Recht behaupten, dass seine Relativitätstheorie, die das Verhältnis von Raum, Zeit und Geschwindigkeit beschreibt, damit auch eine schwäbische Erfindung ist.
Geben wir  jungen und kreativen, alten und erfahrenen Erfindern, Künstlern und Designern aus aller Welt einen Platz im Herzen unserer Schwabenmetropole. Denn wir wissen, dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt. Wir leben den guten alten Pionier- und Erfindergeist Baden-Württembergs und bewegen uns damit ständig im Spannungsfeld zwischen Tradition und Disruption. Unsere Expertise setzen wir dazu ein, um neue Ideen voranzubringen. Modernität,  Zukunftsorientierung und Multikulti sind dabei unsere Ausrichtung, Qualität ist unsere Verpflichtung. Unsere Devise: Wir können alles. Vor allem durchstarten. Wir brauchen jetzt Ideen, Modernität und Zukunftsorientierung und keine Vereine, für welche der Maßstab die Leonhardsvorstadt vor 500 Jahren mit seiner Stadtmauer ist. Auch besteht die Mobilität der Zukunft nicht nur aus Fahrrädern.

In der Altstadt, zwischen Bohnen- und Leonhardsviertel soll ein weltoffener, neuer District entstehen. Ein District mit seinem eigenen Herz, seinem eigenen Geist und seinem ganz persönlichen Stil. Stuttgarts neuer Design District steht für die globale Zukunft als Heimat der wachsenden Gemeinschaft kreativer Pioniere und Erfinder und verbindet die Geschichte der beiden Bereiche zur
Sankt-Leonhards-Vorstadt.

Geschichte des Städtles, der Stuttgarter Altstadt

Unter Graf Eberhard dem Milden erfolgte gleich nach 1393 die erste große Stadterweiterung um die Urleonhards-Kirche, Sankt-Leonhards-Vorstadt genannt. (Das Gebiet zwischen der heutigen Hautpstätterstraße und Katharinenstraße, zwischen Charlottenstraße und Pfarrstaße.) Als mit der Reformation 1534 die Heiligenverehrung endete, benannte man die Vorstadt in Esslinger Vorstadt um. Schließlich verließ die Straße nach Esslingen Stuttgart durch das Esslinger Tor, das ungefähr dort stand, wo heute das Hochhaus am Charlottenplatz steht. Hier lebten, wie der Historiker Harald Schukraft schreibt, „hauptsächlich Handwerker, wie Wagner, Gerber, Färber und Weingärtner, die die Nähe des Nesenbaches nutzten.“

Der Befestigungsring rund um die Stadt war übrigens erst kurz vor 1600 geschlossen worden; erst ab 1563 waren die einfachen Holzpalisaden der nördlichen Vorstadt durch eine Steinmauer ersetzt worden. Davon ist heute kaum mehr etwas erhalten; ein Prunkstück bleibt der Schellenturm im Bohnenviertel aus gerade jener Zeit um 1560.
Die historische Entwicklung des Leonhardsviertels entspricht der des Bohnenviertels. Bis Mitte der 1930er Jahre waren beide Bereiche die „Leonhardsvorstadt“. Nach dem zweiten Weltkrieg, als im ganzen Viertel 80 Prozent der Gebäude zerstört waren, und insbesondere Anfang der 1960er Jahre, als im Sinne der „autogerechten Stadt“ viele Parkhäuser entstanden, kam es zu einer nahezu durchgehenden Trennung der beiden Quartiere. 1961 wurde das Züblinparkhaus gebaut, welches nun 2023 (geht es nach den Wünschen der Roten und Grünen im Rathaus) abgerissen werden soll.

(Quelle: Stuttgarts 14 Innenstadt-Quartiere, von Herbert Medek und Andrea Nuding)

Doch wie kam es eigentlich zum heutigen Rotlicht im Städtle?

Der Weg führt uns über die vereinigten Geschichten vom Hüttenwerk (Quelle Uwe Bogen, Liebe Tanz und Bretterbuden)

Wer auf den alten Fotos die bunten Bretterbuden sieht, könnte sie für die Kulissen eines amerikanischen Roadmovies halten. Doch mitten in Stuttgart entstanden kuriose Baracken mit Rotstich und Rock´n´Roll. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Stadt ein Trümmerfeld, eine Ansammlung von Behelfsläden und Behelfswohnungen – und auch die Luden und Altstadtwirte wussten, wie man sich behilft. Ihre provisorischen Bauten, in der Ruinenwüste bei der Leonhardskirche schnell und unkompliziert wie bei einer Kirmes hochgezogen, gingen als „Vereinigte Hüttenwerke in die Stadtgeschichte ein. Noch Jahrzehnte nach Kriegsende konnten sie sich halten. Allenthalben drängten die Rathauschefs auf städtebauliche Ordnung, nur das lustige Treiben in den Amüsierstraßen hielt sehr lange allen Stürmen stand. Wer glaubt, hier habe der Mechanismus der schwäbischen Kehrwoche versagt, dürfte sich täuschen. Eine besondere Reinlichkeit wird den einstigen Betreibern der zwar ärmlichen, aber doch fantasiereichen Nachtstationen nachgesagt. Wo sich heute das Schwabenzentrum als ungeliebter Klotz viel zu nüchtern und zu langweilig ausbreitet, erblühte bis zum Abriss der Verschläge in den 1970ern neben Strip und Nepp auch das, was man heute Subkultur nennt.

Barchefs, die was auf sich hielten, trugen Fliege zum Smoking. Diesen Edelmännern reicht eine halbe Welt. Das Geschäft der Halbwelt ist die Illusion. Für ihre „Se-Revue“ warben sie in Schaukästen mit Fotos von Damen in Plüsch, die uns heute vorkommen, als stammten sie aus Opas züchtigen Fantasien. Eindringlich warnten in dieser Zeit die Väter ihre Töchter davor, auch nur einen Fuß in diese gefürchteten und angeblich so sündigen Straßen zu setzen. Dies hat dazu geführt, dass dieses Viertel selbst bei denen, die sich damals niemals hineintrauten, in geheimnisvoller Erinnerung geblieben ist.

Kann Stuttgart so verrucht sein? Die Stadt der besungenen Häuslebauer und des Schwabenfleißes hatte ihre andere, sagen wir nicht so stabile Kehrseite. Noch heute erzählte man sich von dem armen Zecher, der sich zur späten Stunde an die Außenwand einer vom roten Licht beschienen Pariser Bar lehnte. Dort übermannte ihn die Müdigkeit. In dieser Nacht soll es heftig geregnet haben. Die Wand der Baracke sei irgendwann so aufgeweicht gewesen, dass sie plötzlich nachgab – und der schlafende Zecher rücklings in die Bar hineinplumpste. So schnell kam man in den Hüttenwerken mit dem Kopf durch die Wand.

Ende der 1950er gibt es in Stuttgart keine Partymeile Theo-Heuss – es gibt nicht mal die Theodor-Heuss-Straße, die erst seit 1963 nach dem Tode des Altbundespräsidenten Heuss so heißt.. Die „Szene“, wie man heute sagen würde, trifft sich zwischen „Erotik mit netter Unterhaltung“ und der „Roten Mühle“ nach Pigalle-Vorbild in jenem Areal zwischen Eberhardstraße und Hauptstätterstraße, das sich nach den Kriegszerstörungen den Ruf des „Sündenbabels von Stuttgart“ erwirbt. Die Nesenbachstraße war damals noch deutlich länger, benannt nach dem Bach, den man unter der Erde versteckt hat.

Das „Städtle“ wie unser Kleinst-Kiez genannt wrid, hat zu dieser Zeit fast noch Frankfurter Ausmaße. Arnulf Klett, Stuttgarts erster Oberbürgermeister nach dem Krieg, war es, dem Viertel die Spannplatten und roten Lichter mitten in der City den einprägsamen Namen Vereinigte Hüttenwerke verliehen hat.

Die alten Zeiten, als die Altstadt-Könige, fast alle im 2. Weltkrieg geboren, mit ihren Damen ins Thermal- und Skiparadies Bormio aufbrachen, das Louis-Vuitton Köfferchen mit frischen Scheinen unter dem Sitz eines nagelneuen Mercedes-Cabrios, cash bezahlt versteht sich sind vorbei. Man hielt sich an den Ehrenkodex der Unterwelt: kein Verrat, Schulden pünktlich zurückzahlen, nicht in fremden Revieren wildern.

mit freundlicher Genehmigung: copyright Wilfried Weber, Ditzingen